Russlands Krypto-Pläne sind nebulös. Zu Jahresbeginn deklarierte der Staat Bitcoin als einen währungsähnlichen Vermögenswert, nur um wenige Monate später zurückzurudern und ein generelles Krypto-Transaktionsverbot im Land festzulegen. Aktuelle Schritte scheinen jedoch dafürzusprechen, dass der Staat beabsichtigt, Nutzen aus Kryptowährungen zu ziehen.
So forderte der russische Premierminister Michail Mischustin die Regierung am Dienstag offiziell auf, bis zum 19. Dezember eine Einigung über die Krypto-Regulierung im Land zu erzielen. Eine Woche zuvor wiederum wurde verkündet, dass Russland die Nutzung von Kryptowährungen für den internationalen Handel legalisieren möchte. „Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist es unmöglich, auf grenzüberschreitende Zahlungen in Kryptowährung zu verzichten„, so der stellvertretende Finanzminister Moiseev. Bei den gegenwärtigen Bedingungen dürfte es sich um die Sanktionspolitik des Westens im Angesicht des russischen Überfalls auf die Ukraine handeln. Unterdessen sollen inländische Transaktionen weiterhin verboten sein.
Russland wäre nicht das erste Land, welches mithilfe von Kryptowährungen Wirtschaftssanktionen umgeht. Der Iran stützt sich schon länger auf die Alternative, gemäß der lokalen Nachrichtenagentur Tasnim gibt es ein Gesetz, das die Verwendung von Bitcoin und anderen Kryptowährungen als Import-Zahlungsmittel legalisiert.
Achse Russland-Iran
Ohnehin scheint Russland sowie der Iran zuletzt Kooperationen ausgeweitet zu haben. So spricht nach Dr. Markus Reisner, seines Zeichens Kommandant der Garde im Österreichischen Bundesheer, immer mehr dafür, dass Russland im Ukraine-Krieg seit September auf iranische Kamikaze-Drohnen zurückgreift. Eine womöglich folgenreiche Entwicklung: „Der Einsatz der iranischen Drohnen durch die russischen Streitkräfte kann daher als gefährliche Entwicklung angesehen werden […] Russland ist durch den Einsatz iranischer Drohnen in der Lage seinen strategischen Abnützungskrieg gegen die Ukraine fortzuführen oder gar noch zu intensivieren„, so Reisner. Ob Russland nicht nur das militärische Know-How Persiens in Anspruch nimmt, sondern auch eine Lehrstunde in Sachen Sanktions-Umgehung erhält, und inwiefern Digitalwährungen dabei eine Rolle spielen, kann bis dato nur gemutmaßt werden.
Auch wenn sich Krypto-Transaktionen möglicherweise eignen, um unter dem Radar Handel zu betreiben, hat nicht zuletzt Großbritannien Anfang September bekräftigt: Die Definition von „Geldern“ und „wirtschaftlichen Ressourcen“ bei den Sanktionen seien weit gefasst, „Krypto-Assets werden als von diesen Definitionen abgedeckt betrachtet und fallen daher unter die Beschränkungen der Finanzsanktionen„, wie das britische Finanzministerium mitteilte. Weiterhin gilt auch, wenn auch von manchen nicht so wahrgenommen, dass beispielsweise Bitcoin lediglich pseudonym, allerdings nicht anonym ist.
Dass der Schuss auch nach hinten losgehen kann, zeigt ein jüngster Fall in der Ukraine: dort identifizierte und sperrte der Sicherheitsdienst ein Krypto-Wallet, welches mit russischer Militärfinanzierung in Verbindung stand, der Besitzer wiederum wurde verhaftet.
Russland könnte profitieren
Per se scheint die Nutzung von Krypto-Transaktionen seitens des russischen Staates folgerichtig. Kurzfristig dürfte es der Plan sein, Sanktionen zu umgehen, mittel- bis langfristig könnte die Absicht dahinterstecken, das Dollar-System zu untergraben. Im Inland wiederum sollen Kryptowährungen nicht in der breiten Masse salonfähig werden, im Gegenteil: fügt sich doch der dezentrale Gedanke mitnichten ein in das autoritäre System. Im Übrigen einer der vielen Gründe, weshalb ein Teil der Kryptoszene den Vorstoß Russlands in die Krypto-Welt mit sehr viel Argwohn beobachtet. Ganz abgesehen von moralischen Gesichtspunkten – den verbrecherischen Angriffskrieg dabei im Blick habend – ist Russland bei all dem Hin und Her in puncto Krypto nämlich vor allem eines: ein unsicherer regulatorischer Hafen, und ein Staat, welcher lediglich für die Verfolgung seiner eigenen politischen Interessen auf den Krypto-Zug aufspringt.
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