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Geldpolitik und Marktausblick

Was ist der Leitzins? Wie steht er in Verbindung zur Inflationsrate? Und was steht Anlegern im Jahr 2023 bevor? Antworten auf diese und weitere Fragen liefern wir in diesem Beitrag. Er richtet sich an Einsteiger, weil wir die Grundzüge der Finanz- und Geldpolitik erläutern, aber auch an Fortgeschrittene, weil wir zahlreiche Fakten liefern und aktuelle Studien unter die Lupe nehmen. 

Wir leben in turbulenten Zeiten. Anleger, die nach der Finanzkrise 2008/2009 eingestiegen sind, erfahren zum ersten Mal am eigenen Leib, dass es auf den Börsen dieser Welt auch massiv nach unten gehen kann. Bei einigen macht sich vor diesem Hintergrund bereits Frustration breit. Dabei besteht mittel- bis langfristig durchaus Grund zu Optimismus. Doch eines nach dem anderen. 

Die hohe Inflation zählt zu den großen Herausforderungen dieser Tage. Inflation bedeutet, dass das Geld an Kaufkraft verliert, und beschreibt dabei das Ausmaß der Preissteigerungen. Meist wird die Inflationsrate gegenüber dem Vorjahr angegeben. Soll heißen: die prozentuale Veränderung. Die Deflation bezeichnet hingegen genau das Gegenteil: ein sinkendes Preisniveau, der Anstieg des Geldwertes. In der folgenden Grafik seht ihr die Inflationsrate in Deutschland: 

Inflationsrate in Deutschland - Veränderung gegenüber Vorjahresmonat

Ganz konkret bedeutet dies eine schleichende Entwertung eures Geldes. Wenn ihr beispielsweise etwas Geld auf der Seite habt, dann könnt ihr hierfür Jahr für Jahr weniger erwerben. Eine hohe Inflation wird dabei von vielen Akteuren als etwas Negatives betrachtet – hierzu zählen die Notenbanken. Doch was ist eine Notenbank überhaupt?

Notenbanken, oder auch Zentralbanken genannt, sind nationale (z.B. Deutsche Bundesbank) oder supranationale (z.B. Europäische Zentralbank) Institutionen, die von einem Staat oder Staatenverbund errichtet wurden. Das vorrangigste Ziel beispielsweise der Europäischen Zentralbank ist die Gewährleistung der Preisniveaustabilität in der Eurozone. O-Ton Europäische Zentralbank: „Unsere Aufgabe ist, stabile Preise zu gewährleisten […] wir halten die Preise stabil, indem wir dafür sorgen, dass die Inflation […] niedrig, stabil und berechenbar bleibt„. 

Wie obenstehende Grafik aufzeigt, lag die Inflationsrate im September (Deutschland) bei 10 Prozent. Stabiler Geldwert: Fehlanzeige. Das von besagter Zentralbank ausgerufene  mittelfristige Ziel einer 2-Prozent-Inflationsrate scheint in weiter Ferne. Und doch tut sich etwas. Welche Mittel den Geldinstituten zur Verfügung stehen, darum soll es im Folgenden gehen. 

Leitzins und Inflation

Das wohl wichtigste Werkzeug ist der Leitzins: unter Leitzinsen versteht man die von der zuständigen Zentralbank festgelegten Zinssätze, zu denen sich Geschäftsbanken bei einer Zentral- oder Notenbank Geld beschaffen oder anlegen können. In der gesamten Eurozone ist die Europäische Zentralbank hierfür zuständig. 

Simpel wie einleuchtend: Der Leitzins ist der Preis, den Banken zahlen müssen, wenn sie sich Geld bei der Zentralbank leihen. Braucht eine Bank beispielsweise 100.000 Euro und der Leitzins läge bei 5 Prozent, dann kostet das die Geschäftsbank 5.000 Euro Gebühr. Da aber Banken selbst Geld verdienen wollen, geben sie die hohen Zinsen an die Kunden – mindestens mittelfristig – weiter, und schlagen bei der Kreditgebühr noch etwas darauf. In der folgenden Grafik seht ihr die Entwicklung des Leitzinses der Europäischen Zentralbank (Hauptrefinanzierungsgeschäft): 

Entwicklung des Zinssatzes der Europäischen Zentralbank für das Hauptrefinanzierungsgeschäft

Doch wie wirkt sich nun der Leitzins auf die Inflation aus? Etwas vereinfacht: steigen die Zinsen, werden Kredite teurer, ergo investieren Unternehmen weniger, und Verbraucher kaufen weniger ein. In der Folge geht die Nachfrage zurück, mit dem Ergebnis, dass die Preise sinken. Durch die Leitzins-Erhöhung soll also die Güternachfrage sinken. Steigt die Nachfrage nämlich bei gleichem oder abnehmenden Güterangebot, steigen die Preise – und das wiederum wird als nicht erwünscht betrachtet. 

Einige der fundamentalen Grundlagen sind nun geklärt. Werfen wir im Folgenden einen etwas detaillierteren Blick auf die aktuelle Situation – und die möglichen Auswirkungen auf die Kapitalmärkte. 

Einfluss der Notenbanken

Die US-Zentralbank (FED) reagierte im schicksalsträchtigen Jahr 2022 besonders entschlossen. Noch am 17.03. lag der Leitzins bei 0,5 Prozent. Bis zum 22. September wurde dieser schrittweise auf nunmehr 3,25 Prozent erhöht. Nach Einschätzung vieler Marktteilnehmer dürften die Leitzinsen bis März 2023 auf über 4,75 Prozent steigen. Auch der Rat der Europäischen Zentralbank geht davon aus, dass er die Zinsen weiter anheben wird. 

Die Auswirkungen der Erhöhung der Zinssätze kann dabei für viele erhebliche Folgen haben. So können schleppender Konsum oder Produktionsausfälle beispielsweise die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Rezession erhöhen. Von einer Rezession spricht man, wenn die Wirtschaft schrumpft, wobei das Bruttoinlandsprodukt zur Bemessung der Konjunktur dient. Welche potenziellen Auswirkungen die Veränderungen des Leitzinses auf Assets haben, das zeigen wir euch nun

Immobilien

Die Kreditzinsen sind zuletzt massiv gestiegen. Anleger sollten sich daher verstärkt fragen, ob sie sich den Grund und Bund leisten können. Insbesondere bei Fremdnutzung der Immobilie haben Geldinstitute inzwischen die Kreditanforderungen etwas nach oben angepasst. 

Kryptowährungen

Ein hoher Leitzins gilt für die Kryptoszene als kontraproduktiv. Günstiges Geld zu niedrigen Zinsen fließt eher in Hochrisikobereiche, wozu die digitalen Assets zählen. 

Einlagen

Einlagen (Sparbuch, Tagesgeld & Co.) gewinnen grundsätzlich wieder an Attraktivität, wenn die Zinsen steigen. Da die Inflationsrate allerdings deutlich höher liegt, handelt es sich hierbei nach wie vor nicht um das Mittel der Wahl. 

Aktienmarkt

Auf dem Aktienmarkt wachsen die Risiken, wobei es branchenabhängig eine große Varianz gibt. Im Gegenzug eröffnet die ungewisse Situation auch zahlreiche Chancen.

Bevor wir nun einen konkreten Marktausblick 2023 wagen, wollen wir weitere wichtige umgebende Faktoren benennen und beschreiben. 

Herausforderungen

Die zentralen Herausforderungen sind – teilweise eng miteinander verflochten, teilweise weniger – u.a. die folgenden:

  • Ukraine-Krieg, allen voran durch steigende Energiepreise
  • Taiwan-Frage und mögliche Verwerfungen mit China
  • Lieferketten-Problematik, teilweise noch aufgrund Covid-Maßnahmen 
  • Steigende Finanzierungskosten, Kreditausfallrisiken
  • Inflationsbekämpfung
  • u.v.m. 

Die Marktteilnehmer

Die Marktteilnehmer sind nach wie vor vorsichtig, und schätzen die Gemengelage als sehr kompliziert ein. Dies gilt für die Profianleger und Privatanleger gleichermaßen. 

Ein Indiz, dass die Profis zurückhaltend agieren, ist der hohe Cash-Anteil am Fondsvermögen. Die folgende Grafik von der „Bank of America“ verdeutlicht dies. 

Cash-Anteil am Fondsermögen

Die Fondsmanager halten einen so hohen Anteil des Fondsvermögens in Cash, wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Zahlreichen Marktausblicken und Erhebungen zufolge wird das gegenwärtige Risiko als groß betrachtet. Im gleichen Atemzug steigen allerdings auch die Chancen – doch dazu später mehr. Widmen wir uns erst den Privatanlegern.

Hier liefert eine neue Studie von eToro spannende Erkenntnisse. „Privatanleger sind mit einem Mix aus schwierigen Marktbedingungen, steigenden Rechnungen und höheren Hypothekenzinsen konfrontiert, sodass es kein Wunder ist, dass viele ihre Prioritäten geändert haben„, wie Ben Laidler, Global Market Strategist bei eToro, konstatiert. Noch vor einem Jahr haben sich 83 Prozent der Privatanleger wohl mit ihrem Investment-Portfolio gefühlt, um das Vertrauen in die Investitionen war es weitestgehend gut bestellt. Inzwischen liegt der Anteil jener, die sich wohl damit fühlen, nur noch bei 64 Prozent. 

Auf einen Punkt könnte man das aktuelle Stimmungsbild wie folgt zusammenfassen: Es herrscht weder Panik unter den Anlegern, noch Euphorie. Vielmehr sind die Anleger skeptisch und vorsichtig sowie bestrebt, das Risiko ihrer Anlagen etwas zu minimieren. 

Marktausblick 2023

Aktuell spricht vieles dafür – leider – , dass uns der Ukraine-Krieg noch länger begleitet. Insbesondere die Situation auf dem Energiemarkt könnte also weiterhin prekär bleiben. Gesetz dem Fall, dass der Winter gut überstanden wird, scheint es wahrscheinlich, dass sich die Auswirkungen des Krieges auf unsere Wirtschaft im kommenden Jahr etwas abschwächen. Allerdings bleibt nach wie vor ein großer Unsicherheitsfaktor, da eine weitere Eskalation, beispielsweise durch den Einsatz von Atomwaffen, massive Veränderungen herbeiführen könnten. Zahlreiche Militärexperten erachten dieses Szenario allerdings als wenig wahrscheinlich. 

Die Taiwan-Frage sorgt nach wie vor für Spannungen. Die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und China sind brüchig. Anschaulich macht dies beispielsweise die jüngste Entscheidung der USA, den Drohnenhersteller DJI auf die Blacklist zu setzen. Geopolitische Aspekte dürften auch 2023 hoch auf der Agenda stehen, und sollten bei der Asset-Auswahl Beachtung finden. 

Etwas mehr Optimismus kann bei den Auswirkungen der Covid-Pandemie an den Tag gelegt werden. 2022 sorgten allen voran die Lockdowns in China für Verwerfungen und Schwierigkeiten bei den Lieferketten. Marktbeobachter erwarten allerdings, dass China nach dem Parteitag im Oktober einen etwas lockereren Corona-Kurs fährt. 

Auch in puncto Inflation gibt es womöglich schon bald Grund zum Aufatmen. Gemäß der jüngsten Konjunkturprognose der Bundesregierung soll diese im Gesamtjahr 2023 niedriger ausfallen, als noch 2022. Dies soll allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Situation dieser Tage historische Ausmaße annimmt. So rechnen zum Beispiel immer mehr mit einer Rezession. Auch jenseits des Atlantiks sind die massiven Verteuerungen noch längst nicht Geschichte, doch auch hier gibt es erste positive Signale. 

Die dynamische Entwicklung könnte nicht zuletzt die Bankenwelt in schwieriges Fahrwasser bringen. Zahlreiche Faktoren erhöhen das Kreditausfallrisiko beträchtlich, doch Stand heute gibt sich die Branche selbstbewusst, und größtenteils gewappnet. 

Die Weichen stellen

Ungeachtet der angespannten makroökonomischen Situation, halten wir Kapitalmarkt-Investments für das Mittel der Wahl. Mehr denn je gilt es, breit zu diversifizieren. Da die Vereinigten Staaten von Amerika insbesondere was den Bereich Energie anbelangt, deutlich weniger abhängig sind, halten wir eine signifikante Übergewichtung für vertretbar. Deutschland wiederum gilt als besonders anfällig. Dem hohen Risiko stehen allerdings auch hohe Ertragschancen gegenüber. Bei einem Blick auf langfristige Bewertungen wird deutlich, dass attraktive Titel dieser Tage mit einem deutlichen Discount erwerbbar sind. Es gilt, nicht auf Bärenmarkt-Rallyes hereinzufallen, Cash zu halten, um Einstiegsgelegenheiten wahrnehmen zu können, aber nach wie vor auch investiert zu sein. Wer die Assets nicht hält, wenn sie fallen, der hält sie in der Regel auch nicht, wenn sie steigen. Optimismus mit leicht angezogener Handbremse ist unser Gebot der Stunde.