Interview

Ökonomie-Professor im Interview: „Bitcoin ist ein Rückschritt in die monetäre Steinzeit“

In einer Studie für die Hans Böckler Stiftung hat sich der Ökonom Jörg Bibow mit digitalen Innovationen in der Finanzwirtschaft beschäftigt. Darin bescheinigt er Bitcoin, als Währung ungeeignet zu sein und fordert eine wirksame Regulierung von Kryptowährungen. Im Interview erläutert er, wo eine solche ansetzen könnte – und welche sinnvollen Anwendungsgebiete er dennoch für die Blockchain-Technologie sieht.

Herr Bibow, Sie leben und lehren in Saratoga Springs in den Vereinigten Staaten. Wann haben Sie zuletzt etwas bar bezahlt?

Das ist vermutlich Jahre her. Bargeld verwende ich hier im Grunde überhaupt nicht, das ist wirklich die ganz große Ausnahme. Ich muss mal überlegen… Es gibt seltene Gelegenheiten, aber es fällt mir wirklich nicht ein. Ich glaube, ich habe noch ein paar Dollar in meiner Geldbörse, aber auch keine Ahnung wie viel (lacht).

In einer kürzlich veröffentlichten Studie haben Sie die Folgen der zunehmenden Digitalisierung des Geldes untersucht. Welche Vorteile bringen uns digitale Finanz-Services?

Es gibt vielerlei Produkte, die dem Konsumenten das Leben leichter machen. Bezahlen per Handy, ganz flott im Geschäft, im Internet oder an der Parkuhr, das ist natürlich sehr bequem.

Was machen digitale Services mit der Sicherheit von Bezahlungen?

Die große Frage ist, wer steht hinter diesen Diensten? Man kann nicht behaupten, dass Banken immer 100-prozentig sicher sind, aber mit dem Bankensystem haben wir zumindest ein lang etabliertes Geldsystem, das reguliert und überwacht wird. Und wenn es zu einer Krise kommt, dann gibt es Sicherungssysteme. Sprich: Der Schaden kann in der Regel begrenzt werden, wenn solche Dienste von Banken angeboten werden. Was bei neuen, innovativen Anbietern nicht zwangsläufig der Fall ist. Insofern muss man da sehr genau aufpassen. Wer steckt dahinter, sind die in irgendeiner Weise überwacht, oder sind es Verbrecher (lacht)? Ich meine, man darf sich da keine Illusionen machen. Geldemission und damit verbundene Dienste sind lukrativ, das lockt Verbrecher an.

Vor kurzer Zeit ist Coinbase an der US-Börse NASDAQ gestartet. Mit den dort gehandelten Kryptowährungen gehen Sie in Ihrer Studie recht hart ins Gericht. So schreiben Sie unter anderem: „Für Bitcoin und andere Kryptowährungen lässt sich als Zahlungsmittel, zumindest für legitime Zwecke, keinerlei Wohlfahrtsgewinn ausmachen.“ Warum misstrauen Sie diesem Zahlungsmittel?

Speziell Bitcoin finde ich höchst suspekt. Und ich denke, es gibt auch hinreichend Beweise dafür, dass Bitcoin in erster Linie für illegale Machenschaften eingesetzt wird. Als Zahlungsmittel ist es absolut untauglich, das haben viele Studien deutlich gezeigt. Es ist einfach zu volatil. Preise werden nicht in der Geldeinheit Bitcoin ausgehandelt. Vielleicht gibt es Ausnahmen, aber Bitcoin ist als Währung nicht geeignet. Es ist ein rein spekulatives Finanzprodukt, das auch eine Naturkatastrophe ist, weil der Energieverbrauch immens ist. Ich kann da keine positiven Aspekte finden. Was keine Kritik an der Technologie an sich ist. Die zugrundeliegende Technologie ist für vielerlei Produkte, auch im Finanzsystem, vermutlich sehr nützlich. Aber als Währung ist es meines Erachtens ein gigantischer Rückschritt in die monetäre Steinzeit.

Unter anderem fordern Sie eine wirksame Regulierung von Kryptowährungen wie Bitcoin. Auf welcher Ebene ließen sich entsprechende Maßnahmen ergreifen? Und welche Institutionen könnten das leisten?

Das ist natürlich höchst problematisch, weil es für den Einsatz von Kryptowährungen keine Grenzen gibt und weil es mit Sicherheit Länder und dubiose Regierungen gibt, die es sogar fördern würden, dass kriminelle Machenschaften damit möglich bleiben. Ob das nun Geldwäsche oder Waffenhandel ist: Es ist ja nicht so, dass jeder das gerne verhindern möchte. Insofern, wie kann man als Staat die Risiken begrenzen? In erster Linie muss man beim Bankensystem ansetzen. Und das reguliert und überwacht man ohnehin. Das heißt, die Behörden müssen an der Schnittstelle zwischen Bank und Bitcoin ansetzen. Und zwar international. Denn es bringt natürlich nichts, wenn Deutschland das macht, Dänemark aber nicht. Alle Länder müssen sich darin einig sein, die Schnittstelle zwischen Bitcoin und Bankensystem zu überwachen und auch die sogenannten Börsen, an denen Kryptowährungen gehandelt werden. Ein weiterer Punkt sind die Steuerbehörden. Wenn die festlegen, dass Kryptowährungen Vermögenstitel sind und da Wertschwankungen auftreten, dann treten auch Kursgewinne und – Verluste auf. Und wenn man das der Steuerpflicht unterlegt, hat man die Möglichkeit, Missbrauch einzuschränken. Komplett verhindern wird man den so vermutlich nicht, aber man kann das Finanzsystem und man kann Konsumenten vor Missbrauch schützen. Und man kann Dinge, die man ohnehin zu verhindern versucht, Geldwäsche, Waffenhandel und derartiges, so schon weitreichend, würde ich hoffen, begrenzen.

Solche Eingriffe würden also zulasten der Anonymität von Kryptowährungen gehen?

Das gilt ja sowieso für Banken. Banken müssen ihre Kunden kennen und da kann man letztlich alles nachverfolgen. Im Normalfall interessiert sich der Staat auch nicht dafür. Aber wenn es um Themen wie Waffenhandel, Geldwäsche und so weiter geht, muss der Staat die Mittel haben, das finden und bestrafen zu können. Und das macht ja Kryptowährungen so attraktiv für diese Leute. Dass es hier schwieriger ist für den Staat. Aber eben nicht unmöglich. Das ist ja eine Pseudo-Anonymität. Also technisch ist es, glaube ich, möglich, Krypto-Geldflüsse zu verfolgen, nur sehr aufwändig. Die Frage ist, wie viel Aufwand kann und will der Staat betreiben?

Wie unterscheidet sich die Anonymität von Bitcoin von jener des Bargelds, das ja ebenfalls ein sehr anonymes Zahlungsmittel ist?

Ja, absolut. Und darum gibt es ja auch für die Bargeldnutzung entsprechende Gesetze. Abhängig von der Höhe der Einzahlung oder Abhebung fragen die Banken nach, was damit geschieht oder wo das Geld herkommt. Da versucht der Staat also auch, den Schaden zu begrenzen. Das wird nie 100-prozentig gelingen. Und natürlich geht es nicht darum, herumzuschnüffeln, wo der Bürger für fünf Euro etwas kauft, sondern es geht um kriminelle Aktivitäten.

Sie hatten vorhin den Energieverbrauch beim Schürfen von Bitcoin angesprochen. Man findet auch Stimmen, die behaupten, durch das Schürfen von Bitcoin könnten teilweise abgelegene erneuerbare Energiequellen nutzbar gemacht werden, weshalb der hohe Energieverbrauch kein so großes Problem sei. Was ist davon zu halten?

Das scheint mir ein unsinniges Argument zu sein. Man könnte überlegen, wie man vernünftige Produkte dort produzieren lässt, wo diese Energie entsteht. Dort das in meinen Augen völlig unsinnige Produkt Bitcoin zu erzeugen, macht die Sache für mich nicht besser.

Sie hatten bereits darauf hingewiesen, dass Sie für die Blockchain-Technologie, wenn schon nicht im Bereich Kryptowährungen, dennoch sinnvolle Anwendungsbereiche sehen. Woran denken Sie?

Ein interessantes Beispiel ist der internationale Handel. Dieser ist sehr komplex, weil es mit großen Risiken verbunden ist, in weiter Ferne mit Leuten zu handeln. Für den Bereich scheint Blockchain eine starke Vereinfachung von Transaktionen zu ermöglichen. Andere Beispiele gibt es im Finanzbereich. Hier wird unter anderem getestet, wie man für Clearing- oder Sammelstellen durch Krypto-Assets leichtere Verfahren schaffen kann, die das System effizienter machen würden. Die Technologie scheint mir sehr nützlich zu sein. Das ist nicht meine Kritik. Meine Kritik gilt allein der Anwendung im Bereich Kryptowährungen. Hierfür sehe ich keinen Nutzen. Sowohl im Finanzsystem als auch im internationalen Handel scheint es dagegen sehr gute Verwendungen zu geben.

Zur Person
Bildrechte: privat

Jörg Bibow ist Professor für Ökonomie am Skidmore College im US Bundesstaat New York. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Themenbereiche Internationale Finanzen, Internationaler Handel und Europäische Integration. Er ist außerdem Research Fellow am Levy Economics Institute of Bard College.

Bild von Pete auf Pixabay

 

Jakob Milzner

Jakob Milzner liefert spannende Interviews rund um die Themen Wirtschaft, Finanzen und technologische Innovationen. In der Vergangenheit war er unter anderem am Fraunhofer IMW in Leipzig beschäftigt und publizierte als freier Journalist für die taz sowie den Weser-Kurier.

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