Interview

Experten-Interview: „Altersarmut wird jene treffen, die nicht willens oder in der Lage sind, umzudenken“

 „Den richtigen Mix zur jeweiligen Ausgangssituation zu finden, ist meine Profession“. Hartmut Tschofen ist Finanzcoach und Vorsorge-Experte und erklärt im Gespräch mit Handelskontor-News, wie man in Zeiten hoher Inflation eine sichere Altersvorsorge realisieren kann, wie man am besten einer drohenden Altersarmut aus dem Weg geht und warum er nichts von der Rente ab 70 hält.

Hallo Herr Tschofen. Krieg in der Ukraine, horrende Ölpreise, immer mehr Umweltbelastungen, die Brexit-Nachwehen im Vereinigten Königreich. Auch COVID-19 ist noch nicht überwunden und die Blase im Immobilienmarkt könnte jeden Augenblick platzen. Wie gelassen sehen Sie als Vorsorge-Experte eigentlich in die Zukunft?

Ziemlich gelassen, denn ich akzeptiere nur Sparformen, bei denen der Kunde Eigentümer der Kapitalanlage ist. Im Gegensatz dazu haben Lebensversicherer-Sparer nur eine Forderung gegen einen Konzern. Das ist nicht inflationsgeschützt und kann nicht binnen Tagesfrist zu Bargeld gemacht werden.

Darüber hinaus räumt §314 Versicherungsaufsichtsgesetz dem Lebensversicherer große Spielräume darüber ein, wie er mit der Forderung des Kunden umgehen darf. So kann er den Garantiezins verweigern und vieles mehr. Es ist also ohnehin unsicher geworden bei Lebens- und Rentenversicherungen. Hier kann ich helfen, um das Kapital der Sparer davor zu schützen.

Ein natürliches Risiko für das Vermögen der Deutschen ist die Inflation. Im Mai soll die Inflationsrate laut Statistischem Bundesamt bei 7,9 % liegen. Welchen Effekt hat das langfristig auf die deutsche Wirtschaft? Droht uns nun allen die Altersarmut?

Die Altersarmut droht Vielen. Die Inflation ist dabei nur eines der Instrumente in diesem Orchester. Wer rechtzeitig Vermögen aufbaut und dabei in inflationsgeschützte und rentierliche Anlagen spart, wird sicher nicht unter Altersarmut leiden. Altersarmut wird jene treffen, die nicht willens oder in der Lage sind, umzudenken und alte Tretpfade zu verlassen.

Angesichts der aktuellen Geldentwertung erscheint ein Investment in Aktien naheliegend. Jedoch wirken die Börsen nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine fragil. Nicht wenige warnen vor einem großen Ausverkauf. Wie verhält man sich denn nun gerade jetzt richtig, um sein Vermögen vor der Inflation zu schützen? 

Man kann neben Aktien auch Edelmetalle kaufen, um das Portfolio zu balancieren. Oder man schaut sich nach Aktien-ETF’s mit Einlagensicherung um. Die sind zwar teurer, aber dafür auch wesentlich komfortabler und planbarer.

Früher war das Sparbuch die Lieblings-Anlage der Deutschen. Es versprach sichere Zinsen bei hoher Sicherheit. Sind diese Zeiten gänzlich vorbei oder gibt es noch diese sicheren Häfen, die langfristig zumindest die Inflation ausgleichen können?

Wer so was sucht, der sollte eher zu einem Goldsparplan mit physikalisch vorhandenem Gold greifen. Gold erhält die Kaufkraft des investierten Geldes und kann wie ein Sparbuch fungieren. Aber auch Gold ist nicht frei von Risiken. Nach jahrelangem Kursanstieg kann es auch wieder zu Kursabschwüngen kommen. Man sollte es also nur begrenzt einsetzen.

Eine andere Form von sparbuchähnlicher Anlage sind Investmentpolicen, die auf einen altmodischen Lebensversicherungsdeckungsstock gänzlich verzichten. Das gilt aber nur, wenn der Kunde der Eigentümer des eingezahlten Geldes bleibt und im Risikofall ein sofort wirksames Vermögensmanagement zum Schutz des Kunden involviert ist. Diese Policen sind sehr selten im Markt zu finden, aber es gibt sie.

Der deutsche Staat empfiehlt seinen Bürgern neben der gesetzlichen Rente lieber privat vorzusorgen. Ist das ein Eingeständnis, dass das deutsche Rentensystem nicht funktioniert?

Nein, das würde ich so nicht sagen. Es ist ein Eingeständnis, dass die gesetzliche Rente nicht reicht. Das liegt aber eher daran, dass wir versuchen, die Beiträge zur Rentenversicherung gering zu halten. Das hat zwei Gründe:

Die Arbeitgeberbelastung muss niedrig bleiben, um den Standort Deutschland zu stärken.

Höhere Beiträge würden unmittelbar zulasten der Nettolöhne der Arbeitnehmer*innen gehen und sind daher äußerst ungeliebt.

Die gesetzliche Rentenversicherung wird deswegen aus Steuermitteln untermauert. Das funktioniert aber nur so lange wir wirtschaftlich sehr stark sind, was derzeit durch mangelnde Digitalisierung, Fachkräftemangel und Ukraine-Krieg eher gefährdet ist. Die andere Variante ist dann eine Steuererhöhung für alle.

Es ist nur ehrlich vom Staat, die Bürger auf die Wichtigkeit einer privaten Altersvorsorge hinzuweisen. Es wäre zu begrüßen, wenn er die Spielregeln dafür bürgerfreundlicher gestalten würde. 

Inwiefern ist es überhaupt sinnvoll, dem Einzelnen seine persönliche Altersvorsorge zu überlassen? 

Es ist in einem freiheitlichen Land absolut sinnvoll, die Altersvorsorge der freien Entscheidung des Einzelnen zu überlassen. Der Staat müsste aber besser aufklären.

Immer wieder hört man von Forderungen der Rente mit 70. Wäre es eine legitime Art der Vorsorge, einfach länger zu arbeiten?

Auf keinen Fall! Bis 70 zu arbeiten, wird nur selten funktionieren. Es dient nur dem Schönrechnen von Rentenleistungen – wird aber in der Realität kaum umsetzbar sein. Arbeitgeber wollen keine Mitarbeiter, die so alt sind und für die meisten Berufe ist man über 60 schon zu verbraucht.

Rente mit 70 löst ein Problem nur rein finanzmathematisch – es ist aber fern der Lebensrealität. Ich glaube nicht daran, dass das in der Fläche funktionieren wird.

Bildnachweis: Stas_V

Raphael Lulay

Politikwissenschaftler, Journalist & Finanzmarktbeobachter u.a. tätig für European Scientist, Block-Builders, zudem Handelskontor-Herausgeber. E-Mail: Kontakt@Raphael-Lulay.de

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  • Inflationsbekämpfung auf afrikanisch !

    Die Zentralbank von Simbabwe will wegen der sehr hohen Inflation und der Währungskrise noch in diesem Monat mit dem Verkauf von Goldmünzen als Wertaufbewahrungsmittel beginnen. Ab dem 25. Juli sollen sie in der Landeswährung Simbabwe-Dollar, in US-Dollar und in anderen Fremdwährungen zu einem Preis verkauft werden, der sich nach dem aktuellen internationalen Goldpreis und den Produktionskosten richtet. Dies kündigte Zentralbankchef John Mangudya an.
    Die „Mosi-oa-tunya“-Münze – benannt nach den Victoriafällen – könne in Bargeld umgetauscht und im In- und Ausland gehandelt werden, so die Zentralbank. https://www.facebook.com/photo/?fbid=731903858062082&set=a.413703499882121

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